Zum Hintergrund des Prozesses

Das SGB VIII in der Diskussion

Der Dialogprozess „Mitreden – Mitgestalten: Die Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe“ knüpft an die Ergebnisse der bisherigen Diskussionen an. Um den Prozess gut vorzubereiten, hat die Geschäftsstelle den aktuellen Stand der Diskussionen ausgewertet. Dazu wurden Positionen und Argumentationslinien der Vergangenheit, insbesondere zum KJSG (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz), in Stellungnahmen, Plenardiskussionen im Bundestag, Expertisen und Anhörungen analysiert. Dabei konnten vier Leitthemen identifiziert werden, die auch die Arbeit der AG im Dialogprozess strukturieren sollen. Mehr Informationen zu den Themen des Prozesses finden Sie hier.


Die KJSG-Gesetzesinitiative der 18. Legislaturperiode (2013-2017)
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat in der 2. Jahreshälfte 2015 mit Vorbereitungen eines Gesetzgebungsprozesses zur Reform des SGB VIII begonnen. Die hierbei angestellten Überlegungen basierten auf bereits seit mehreren Jahren zum Teil kontrovers geführten und von Interessengegensätzen geprägten Diskussionsprozessen um einen Reformbedarf in der Kinder- und Jugendhilfe.
Im April 2017 wurde ein Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG)“ vorgelegt.


Zentrale Regelungsgegenstände des Entwurfs sind die Folgenden:

  • Verbesserung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen (uneingeschränkter Beratungsanspruch für Kinder und Jugendliche, Verankerung von Ombudsstellen) Stärkung von Pflegekindern und ihren Familien (Perspektivklärung, Anspruch auf Beratung und Unterstützung von Herkunftseltern, Absicherung von Dauerpflegeverhältnissen)
  • Qualifizierung von Schutzinstrumenten und –maßnahmen, u.a.
  • Betriebserlaubnisverfahren
  • Auslandsmaßnahmen,
  • datenschutzrechtliche Verbesserung im Kontext der Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis von neben- und ehrenamtlich tägigen Personen
  • Vermittlung von Medienkompetenz und
  • Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Aufnahmeeinrichtungen.
  • Verbesserung der Kooperation im Kinderschutz, u.a.
  • Rückmeldung des Jugendamtes an Ärztinnen und Ärzte, die das Jugendamt über Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung informiert hatten, sichergestellt sowie
  • stärkere Einbindung des Gesundheitswesens,
  • datenschutzrechtliche Implikationen,
  • bessere Zusammenarbeit der Kinder- und Jugendhilfe mit den Strafverfolgungsbehörden, den Familiengerichten und der Jugendstrafjustiz und
  • Vermittlung von Medienkompetenz im Rahmen des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes.
  • Bedarfsgerechtere Leistungen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe, u.a.
  • Verankerung des Leitgedankens der Inklusion,
  • Klarstellung, dass unterschiedliche Hilfearten kombiniert werden können,
  • Verbesserung der Zusammenarbeit der Sozialleistungsträger beim Zuständigkeitsübergang,
  • Stärkung der Pflichten zur Qualitätssicherung und
  • Regelungen zur inklusiven Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen.

Steuerungsmöglichkeiten der Länder zur Finanzierung von Maßnahmen und Leistungen für unbegleitete ausländische junge Menschen über Landesrahmenverträge mit kommunalen Spitzenverbänden und Leistungserbringern.

Der Gesetzentwurf wurde am 12.4.2017 vom Bundeskabinett beschlossen und als Gesetzentwurf der Bundesregierung am 18.5.2017 erstmalig vom Deutschen Bundestag beraten.
In der Sitzung am 2.6. 2017 hat der Bundesrat seine Stellungnahme beschlossen. Die Bundesregierung stimmte dem Bundesrat in einer Reihe von Punkten der Anträge zu bzw. sagte eine Prüfung von Anpassungen und Präzisierungen des Gesetzentwurfs zu. Mit Gesetzesbeschluss vom 19.6.2017 hat der Deutsche Bundestag den von der Bundesregierung eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG)“ unter Änderung einzelner Vorschriften angenommen. Diese sahen etwa die Streichung der Vorschriften zur Weiterentwicklung des Pflegekinderwesens, die u.a. einen Rechtsanspruch auf Elternarbeit umfassten, oder die programmatische Verankerung des Leitgedankens der Inklusion vor.

Die Abstimmung im Bundesrat war für den 07.07.2017 terminiert. Der Tagesordnungspunkt 115, Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen wurde von der Tagesordnung abgesetzt. Damit konnte der Gesetzentwurf in der 18. Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden.
Für den nun anstehenden Dialogprozess wird es darauf ankommen, die bereits erarbeiteten Inhalte und Ergebnisse des bisherigen Diskussionsprozesses aufzunehmen und weiterzuentwickeln.
Insbesondere die Beschlüsse der Jugend- und Familienministerkonferenz und der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, etwa zur Weiterentwicklung der Hilfen zur Erziehung oder zur Inklusion für junge Menschen mit Behinderungen, sollten in den Modernisierungsprozess mit einbezogen werden. Auch die Ergebnisse des Dialogforums "Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe", des Dialogforums "Pflegekinderhilfe", des Dialogforums "Bund trifft kommunale Praxis" sowie der Arbeitsgruppe „Kinder psychisch kranker Eltern“ bilden die Grundlage für die Diskussionen im Dialogprozess. Gleiches gilt für die Vielzahl der Stellungnahmen der Verbände und Interessengruppen. Ein wesentlicher Teil dieser Stellungnahmen bezieht sich allerdings auf ministeriumsinterne Konzeptpapiere, die niemals das Stadium eines Referentenentwurfs erreicht haben.